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So langsam wurde sie unruhig. Es war nun schon eine Viertelstunde vergangen, hätte Silke nicht schon längst anrufen müssen? „Weißt du denn ganz genau, wie lange man wirklich geht, um in den Gartenweg zu kommen? Nun reg dich nicht auf, alles wird gut“, dachte sie, um sich zu besänftigen. Aber es klappte nicht.
Ruhelos lief sie im Zimmer auf und ab, immer aus dem Fenster sehend und dabei ging sie den Weg in Gedanken ab. Da war die ruhige Waldallee, es war Tempo 30-Zone und diese Straße war ihr vertraut. Sie versuchte, sich schon wieder zu beruhigen. Aber dann kam die Bundesstraße, die es zu überqueren galt. Es gab dort eine Fußgängerampel. Aber dachte das Kind daran? Merle war schließlich erst 6 Jahre alt und war das erste Mal allein unterwegs. Schon 20 Minuten waren vergangen. Da muss etwas passiert sein! Nun gab es für sie kein Halten mehr. Sie griff zum Telefon und hatte Glück, dass die Freundin Silke gleich am Hörer war. Keine Sekunde länger wäre diese Ungewissheit allein zu ertragen gewesen. „Nein, deine Tochter ist noch nicht bei uns angekommen“, erhielt sie die sie weiter beunruhigende Antwort. „Aber mach dir noch keine Sorgen, deine Tochter ist sehr selbstständig und am Wegesrand gibt es vieles zu betrachten. Denke an die vielen Blüten zwischen den Bäumen und die Ameisen.“ Silke hatte 4 Kinder und sie schaffte es wieder einmal, sie zu beruhigen. Sie war doch auch oft diesen Weg mit ihrer Tochter gegangen, um die Freundinnen zu besuchen, sie die Silke und Merle Jana, Silkes Tochter, die im gleichen Alter war. Aber im Hintergrund rumorte immer noch die Sorge. Silke hatte gemeint, Merle wäre so weit, den Weg allein zu gehen und riet ihr ab, nach ihr zu suchen. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. „Deine Tochter wird unsagbar stolz sein“, sagte sie, „wenn sie es ganz allein geschafft hat“. Nun, das glaubte sie ja gern, trotzdem. Am liebsten würde sie jetzt los laufen und die Tochter suchen. Sie versuchte sich abzulenken und dachte an ihre Tochter, die schon immer eine kleine Träumerin gewesen war, die sich ganz in eine Sache hinein sinken lassen konnte. Intensiv hatte sie schon mal einen Käfer beobachtet, wie er , auf der Suche nach Läusen,eine Rose hinaufgeklettert war. Damals hatte sie sich gewundert, wie lange Merle regungslos auf die Rose gestarrt hatte. Erst als sie nachfragte, lüftete sich das Geheimnis. „Sehr verträumt ist meine Kleine ja schon“, dachte sie und stellte sich vor, wie Merle ganz versunken in das Bild, eine Ameise auf einer Blüte betrachten würde. Dann durchzuckte es sie aber schon wieder. Verträumt? Ja, wenn sie nun ganz verträumt über die Bundesstrasse gegangen wäre? Sie sah sie schon verletzt auf der Straße liegen. Kam da nicht ein Unfallwagen mit Sirene? Sie hörte angestrengt hin, aber er klang sehr weit entfernt und schon war der Ton wieder weg. Es war definitiv nicht in ihrer Gegend gewesen. 10 Minuten später war sie dann völlig fertig. Es war ihr egal, was ihre Freundin von ihr dachte, sie wollte jetzt wissen, ob Merle angekommen war. Die Ungewissheit hielt sie nicht mehr aus. „Soll Silke mich doch überbesorgt nennen, das ist mir jetzt völlig egal.“ Den Satz knapp zu Ende gedacht, rief sie bei ihrer Freundin an. „Nein, deine Tochter ist immer noch nicht da, ich gebe ihr noch 5 Minuten, dann geh ich schauen, laufe ihr bitte nicht hinterher, ich rufe dich dann sofort an, wenn ich sie gefunden habe.“ Schon wieder warten! „Warum habe ich mich darauf nur eingelassen. Vielleicht braucht mich mein Kind und ich bin nicht da!“ Aber 5 Minuten würde sie noch warten, dann würde sie nichts mehr halten. Auch eine Silke nicht. Es wurden sehr lange 4 Minuten, ehe das Telefon läutete, sie hatte schon richtige Laufspuren in den Teppich gegraben. „Deine Tochter ist wohlbehalten hier bei uns gelandet,“ war die erlösende Nachricht. „Und sie hatte ein tolles Erlebnis. Eine Schnecke kroch über ihren Weg in Richtung Straße. Sie konnte doch das Tier nicht ins Verderben laufen lassen. Die Autos hätten sie mit Sicherheit erwischt und zermanscht. So hat sie einen Stock genommen und die Schnecke vorsichtig umgeleitet. Bis diese dann am Zaun am anderen Ende des Gehsteiges im sicheren Grün verschwunden war, hat es ziemlich lange gedauert. So eine Schnecke ist ja nun mal nicht besonders schnell. Sie ist ganz stolz, dass sie diesem Tier das Leben gerettet hat.“ Natürlich war sie total erleichtert, dass Merle gut angekommen war. „Ja, so ist sie“, dachte sie. „Die Schnecke hatte richtig Glück gehabt, auf meine Tochter zu treffen. Ich brauchte einfach nur ein wenig mehr Zutrauen in sie“. Und sie erwischte sich dabei, dass sie irgendwie auch stolz auf Merle war, dass sie so sorgsam mit der Natur umgegangen ist. ![]() eine Seite zurück nach oben erstellt 23. Juni 2012 |